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Die letzte Fahrt der Kanus in Oldau

Anfang Juli 2021. Das Handy klingelte bei mir. Auf dem Display stand „Jan-Erik Bothe“. Ich wunderte mich etwas: Stand denn eine Arbeitsfreizeit an? Sonst würde er doch nicht anrufen, oder? Ich ging ran.

„Moin Jan, Gero hier“

Er legte wie gewohnt ohne Smalltalk los und fiel mit der Tür sofort ins Haus.

„Moin Gero. Sag mal Du machst doch immer die Zockernacht. Und da unsere Kanus an den CVJM Hannover weggehen, dachte ich mir mit TK zusammen, dass es doch schön wäre, wenn wir nach dem Abschlusspaddeln zusammen zocken könnten und Du so eine Art Zockernacht Light…“

„EINGETÜTET“ rief ich sofort.

Damit war die Sache besiegelt. Völlig benebelt ob der guten Nachricht, die mich innerhalb von Sekunden mit einem Schlag aus der Trägheit der Pandemie katapultierte, sagte ich zu. Details interessierten mich in dem Moment nicht, auch das Datum des Wochenendes war mir zunächst gleichgültig(24.-26.09.21). Hauptsache, es tut sich etwas!

Und so ging es los, griff um sich, zog andere CVer mit, ehemalige und aktive Zocker, neue Kanufahrer, alte Hasen, neue Gesichter, CVJMerinnen. Und CVJMer. Einfach alle. Innerhalb von ein paar Tagen hatten wir die Bude voller Anmeldungen. Ein Träumchen.

Am 24. September 2021 erklärte der CVJM LV das Gelände des Anne-Frank-Hauses um die Blockhütte herum zur Gute-Laune-Zone und nahm sie für die Teilnehmer in Besitz. Jede neue Nase kam erst in die Hütte, nachdem die Anmeldeformalien unter der strengen Wacht von Jan-Erik Bothe erfüllt wurden. Dazu gehörte das Ausfüllen der JFG-Listen (ein immerwährendes Ritual) genauso wie das Abklopfen der 3G-Regel.

Alsdann ging es in den Speisesaal. Was normalerweise nicht unbedingt in einen Artikel ausgewalzt wird, hatte hier aber eine besondere Bedeutung: Zumindest ich war ausgehungert. Nicht (aber auch) nach der hervorragenden Küche vom Anne-Frank-Haus, sondern speziell nach dem Gefühl, endlich wieder mit andern CVJMmern ein Tischgebet singen zu können. Wir schmetterten „Wir bringen Kanus für alle!“ im Vorraum und mit Maske, aber das störte nicht. Herrlich!

Am Abend ging es in die Zockernacht-Light. „Light“, weil keine neuen Spiele vor Ort waren, sondern jeder seine Lieblingsspiele mitbrachte. Kurze Vorstellungsrunde, kurze Spielvorstellungen, und dann ging es in Welt der Steinchen, Karten und Würfel. Schnell hatten sich Teams gefunden. Eine schnelle Runde „Blockus“ hier, „Las Vegas“ dort. Viele waren überglücklich, als „Sequence“ auftauchte – ein Renner einer längst verflossenen Zockernacht und immer noch so genial wie damals. So ging es bis tief in die Nacht.

Der Samstag war der Tag der Wahrheit. Nach einer kurzen Einweisung von Jan („Wer hinten sitzt, lenkt!“, „Kentern ist verboten!“) und dem groben Fahrplan („Wir setzen in Celle ein, paddeln am Gefängnis vorbei und dann geht es bis nach Oldau. Und bis nach Winsen.“) begann das Auto-Tetris:

Welches Auto soll vor der Tour mit welchem Zweitwagen nach Winsen gebracht werden? Wer fährt nach Celle? Und wer dann von wo überhaupt wohin? Alles funktionierte jedenfalls.

In Celle sollten wir am Yachthafen einsetzen, nicht wie es vielleicht alte Hasen gewohnt waren, mehr oder weniger direkt am Schützenplatz. Klingt einfach, war es aber nicht. Denn um den Yachthafen herum wurde komplett umgebaut, der Navi versagte und nix passte mehr. Andi fand einen Weg über ein Betriebsgelände durch – und dann waren wir am Hafen.
Da wir mehr Teilnehmer waren als wir Boote hatten (von den acht alten roten Booten waren sechs im Einsatz) kamen pünktlich um 11.00 Uhr noch vier andere Boote auf einem Trailer an, die wir aus Winsen gemietet hatten. Auch dort passten je zwei Leute hinein inkl. wasserdichter Tonne.

So, nun aber los. Schwimmwesten an, Gruppenfoto, ab auf die Aller! Durch eine Bootsrutsche kamen wir prima rein, es dauerte eben etwas, bis 10 Boote gewassert waren. Aber dann schon hatte uns die Aller (wieder). Sechs Wanderkanadier des CVJM LV und vier grüne andere Kanadier schwammen nun mit je zwei Personen Besatzung umher. Klar war es für ungeübte anfangs etwas schwer, da hilft alle Theorie nicht. Doch wir paddelten uns ein und trieben gemütlich ums Eck.

Nach und nach zog sich die Gruppe auseinander. Immer, wenn zu viel Platz zwischen den Booten war, wurde gewartet. Die sanfte Strömung schob uns bei gutem Wetter stetig voran.

Aber Kanufahren macht was mit einem. Da waren sich alle einig. Die Welt vom Wasser aus zu sehen und links und rechts nur Ufer zu haben, chillig dahintreibend, bringt viel Zeit zum Nachdenken mit sich. Was ist das da für ein Baum? Wie lange haben wir die Kanus eigentlich? Und was zum Geier machen Christoph und Henrik da?

Tatsächlich paddelten Christoph und Henrik schnell nach vorne und nach hinten. Sie prallten gefühlt gegen jeden dritten Busch, egal ob links oder rechts. Mit seinem Doppelpaddel und hinten sitzend hatte Christoph genau die richtige Antriebskraft parat, um schneller als alle anderen zu sein. Wie sich herausstelle, sammelten die beiden Müll ein. Es wurde so viel, dass die beiden sich zum Schluss kaum noch auf Ihrem Kanu bewegen konnten. Hut ab, Christoph und Henrik, saubere Leistung!

In anderen Booten hatten wohl viele ihre eigene Wohlfühlzone mitgenommen. Kekse wanderten umher, Lautsprecherboxen machten Musik, in einem Boot fand sich Gerstensaft, es wurde gesungen, gelacht, gewitzelt, dass es eine Freude war. Selbst Jan ließ sich zu der Aussage hinreißen „Wir wollen uns ja ganz gemütlich treiben lassen und nicht hetzen“. Ein Satz, den ich von ihm auf einer Arbeitsfreizeit noch nie gehört hatte.

Irgendwo im Nichts gab es eine Pause. Die Boote anlanden, Lunchpakete verdrücken und Beine vertreten. Petrus spielte weiterhin mit als wäre der Kanuabschied auch wettermäßig von langer Hand vorbereitet gewesen.

Danach ging es noch fast zwei Stunden weiter bis nach Oldau. Dort hatte die Aller kaum noch Strömung, und so teilte sich die Gruppe: Einige stiegen aus, andere brachten die Boote um das Wehr herum auf die andere Seite der Aller und konnten dort bis Winsen die prächtige Strömung genießen.

Nun noch etwas Auto-Tetris rückwärts und die Autos aus Celle abholen, dann war der Käse gelocht.
Erschöpft, aber glücklich und ungekentert freuten sich alle über das erlebte Abenteuer. Der Grill wurde angeschmissen und freudig belegt – die Küchenbesatzung hatte feine Dinge vorbereitet, die herzhaft verspeist wurden. Selbst die Dunkelheit konnte uns davon nicht abhalten.
Alsdann wurden wieder die Spiele ausgepackt oder einfach nur geklönt und den Tag beschlossen. Die Erlebnisse wurden herzhaft geschildert und hier und da auch übertrieben. Käpt´n Blaubär hätte seine Freude daran gehabt.

Der Sonntag brachte die üblichen Verabschiedungen und Schwüre, sich so bald wie möglich wiederzusehen oder so etwas noch einmal zu machen. Und auch das war etwas, was es aufgrund von Corona lange nicht gab. Nach langer Zeit wieder einen Reisesegen sprechen zu dürfen war wunderbar. Ein großes Dankeschön für das Wochenende an das Orgateam, initiiert von Christoph, brachte langen Applaus mit sich.

Das war CVJM! Ein ganzes Wochenende. Und so verdammt nötig.

-Gero Grübler